Ein etwas anderes Museum

Ein etwas anderes Museum

Seit Beginn des Schuljahres 2019/20 arbeitet der WPU-Kurs Gesellschaftswissenschaften der Klassenstufe 9 unserer Schule mit dem IFA-Museum zusammen. Ziel der Kooperation ist die Darstellung der Geschichte des Betriebes, indem die Schüler Interviews mit ehemaligen Mitarbeitern führen. So sollen Eindrücke für die Zukunft festgehalten werden. Außerdem werden die Schüler mit der Geschichte des Betriebes vertraut gemacht.

Am 6. Februar 2020 sind wir zu einer Führung im IFA-Museum Nordhausen eingeladen worden. Der Besuch ist veranlasst worden, damit wir mehr über die Arbeit und Geschichte des ehemaligen Betriebes erfahren und uns somit besser auf die Gespräche vorbereiten können.

Herr Dieter Hoferick, ehemaliger Mitarbeiter der IFA und Mitglied des Fördervereins, gab uns zu Beginn eine Einführung in die Geschichte der IFA Nordhausen. Diese ist sehr beeindruckend, da der Betrieb eine lange Entwicklung durchlebt hat. Aus der Maschinenfabrik Montania ist ein Teil des Konzerns Orenstein & Koppel geworden, welcher ein weltweit aktiver Betrieb gewesen ist. Die Produktion ist rasch angestiegen, allerdings durch den ersten Weltkrieg rasch wieder zurückgegangen. „Nach dem ersten Weltkrieg gab es schwere Bedingungen durch den Friedensvertrag von Versailles für den Betrieb und es kam erst nach und nach zu einer Erholung und langsamen Weiterentwicklung“, so Hoferick. Neben dem Lokomotivbau ist damals auch der Traktorenbau zu einem immer größeren Thema geworden. Im zweiten Weltkrieg sind in den Hallen des Betriebes Nebelwerfer und Kriegsmotoren für Panzer produziert worden. Nach der Niederlage und dem Potsdamer Abkommen sind die sowjetischen Soldaten nach Nordhausen gekommen, welche versucht haben, den Raketenantrieb zu rekonstruieren. Am Modell im Museum ist uns gezeigt worden, dass nach der Sprengung  Ende 1947 nur noch das Verwaltungsgebäude übrig geblieben ist, aber das Werk schon 1948 wieder aufgebaut worden ist und die Traktorenproduktion begonnen hat.

Am 1. Juli 1965 ist der Betrieb in VEB IFA Motorenwerk umbenannt worden. Von da an sind dort nun ausschließlich Motoren produziert worden.

Anschließend haben wir uns im Museum die verschiedenen Typen der Lokomotiven angesehen, wie auch die dort produzierten Traktoren. Herr Hoferick hat uns detailreich über die 1950 erbaute Brockenhexe, den Pionier, die verschiedenen Bauweisen und Typen des Famulus unterrichtet, sowie auch über die dort erfundenen Innovationen wie den Evolventen- Wärmetauscher und den ersten Common-Rail Motor MN 106, welcher der erste gewesen ist, der eine Serienzulassung erhalten hat.

Nach der Wende kam es zu Massenentlassungen und 1992 kam das Aus für den Betrieb, vor allem, weil kein Investor gefunden wurde, der den Betrieb hätte übernehmen wollen.

Das Museum, welches wir uns angesehen haben, ist von ehrenamtlich tätigen ehemaligen Mitarbeitern gegründet worden. Bei der Führung hat man erkannt, dass es für die Menschen dort eine Herzensangelegenheit ist, die IFA zu erhalten und die Geschichte des Betriebes anderen nahe zu bringen.

Die Produktion der Fahrräder ist dort ebenfalls zu einem wichtigen Bestandteil geworden, aufgrund der Forderung in der DDR, dass der Anteil der Konsumgüterproduktion in einem Betrieb mindestens 5 Prozent betragen musste. „Dies war sehr schwierig, da der Konzern damals zum ersten Mal über eine Milliarden Mark eingenommen hat und man einen Anteil von 5 Prozent schwer decken konnte. Dies ist aber durch die Produktion von Fahrrädern gelungen,“ erklärte Herr Hoferick.

Nach der Besichtigung haben wir uns mit dem Leiter des Museums, Hans-Georg Franke,  getroffen, um über die weiteren Schritte der Zusammenarbeit zu sprechen.

Als im Jahr 1992 die IFA-Motorenwerke den Betrieb schließen mussten, hat eine beinahe 90

Jahre alte Ära geendet. Diese hat begonnen mit der Herstellung von Grubenloks und Rohölmotoren, wurde fortgeführt über den Schlepperbau und führte letztlich zur Entstehung des größten ostdeutschen Dieselmotorproduzenten. Engagierte ehemalige Mitarbeiter haben die Bedeutung dieses Standortes nicht vergessen und in ihrer Freizeit ein einmaliges Museum erschaffen, welches im Jahr 2011 eröffnet werden konnte. Die Besucherzahlen übersteigen die der städtischen Museen bei weitem. Aufgrund von finanziellen Problemen ist jedoch unklar, wie lange das Museum noch aufrecht erhalten werden kann, und ohne Sponsor wird wohl auch diese Kulturstätte bald ihre Tore für immer schließen.

Einführung in die Geschichte des Betriebes

Vor 1912 hieß die IFA noch „Montania“, bis sie in jenem Jahr von Orenstein & Koppel (O & K) übernommen wurde, welche dem Werk auch ihren Namen (O & K) gaben. O & K setzte die bisherige Tradition der Grubenlokomotivenproduktion in Nordhausen fort (was u. a. aus der Tatsache herrührt, dass Nordhausen und dessen Umgebung Bergbaugebiet war), welche sogar bis nach Südafrika exportiert wurden. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ging die Produktion im Betrieb durch nachkriegsbedingte Versorgungsengpässe, das Fehlen von (v. a. männlichen) Arbeitskräften im Betrieb sowie der kriegsbedingten Beeinträchtigung der Infrastruktur der Stadt vorerst zurück. Einige Jahre später ging O & K dazu über, nun auch Schlepper und andere Landmaschinen in Nordhausen herzustellen. Vor und während des Zweiten Weltkrieges wurden in Nordhausen auch U-12-Motoren für Panzer u. ä. „schwere Maschinen“ hergestellt. Während der NS-Zeit wurden in Deutschland jüdische Betriebe enteignet. So erging es auch der von Juden geführten Firma O & K. Der Name O & K wurde jedoch aufgrund des Wiedererkennungswertes und einem guten Rufs auch nach der Enteignung zunächst beibehalten. Ab 1940 hieß der Betrieb Maschinenbau und Bahnbedarf AG (MBA).

Nach dem Ende des Krieges und dem Einrücken der Amerikaner am 11. April 1945 in Nordhausen gab es große Umbrüche im Betrieb in Nordhausen. Das zuerst noch vom den Amerikanern besetzte Thüringen wurde bald danach in die sowjetische Besatzungszone eingegliedert. Die Sowjetunion wollte die Antriebsaggregate der zu NS-Zeiten im Lager Dora produzierten V2-Raketen  auf dem Firmengelände nachbauen, da die Amerikaner die Pläne und anderen Dokumente für die Antriebsaggregate zuvor aus dem Lager Dora mitgenommen hatten. Die Reproduktion gelang ihnen 1947. Nach der erfolgreichen Fertigstellung der Antriebsaggregate wurde das gesamte Produktionsgelände durch Sprengung dem Erdboden gleichgemacht, da es den Befehl gab, alle Militärindustriebetriebe der NS-Zeit zu zerstören.

Das IFA-Werk Nordhausen (IFA = Industrieverband Fahrzeugbau), welches später auf dem Gelände des ehemaligen Werkes erbaut wurde, sollte anfangs ein reines Schlepperwerk sein. Jahre später, 1965, sollten laut Planvorgabe nur noch Fahrzeugmotoren in der IFA hergestellt werden (also weniger komplette Fahrzeuge, sondern nun mehr Bauteile und Bauteilgruppen). Schließlich stieg die IFA in Nordhausen nahezu vollständig in die Motorenproduktion um. Es wurde jedoch auch durch staatliche Planvorgabe vorgegebener Konsumgüterbedarf produziert, wie z. B die zweirädrigen Hand- bzw. Rollwagen „Rollfix“ oder (sogar teilweise patentierte) Fahrräder. Die IFA hatte auch einen Motorenforschungsbereich, in welchem an neuen Motoren geforscht und neue Motoren entwickelt wurden.

Lilly Kaun, Hedwig Neubert, Lars Ruhnau, Noemi Sandeck

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